Liebe, Verantwortung

Heiratsmuffel und die „männliche“ Angst vor „weiblicher“ Bindungsfreude…

Hier erzählt Claudia Lang über die Bindungsfreude der Frauen und die Bindungsangst der Männer.

Wenn man bedenkt, dass durch die Institution „Ehe“ (eine ganz bewusste Erfindung des Patriarchats im übrigen) eigentlich die Männer begünstigt, und Frauen in Wahrheit nach wie vor benachteiligt sind, dann mutet es schon etwas verwunderlich an, dass ausgerechnet Frauen sich nach der Eheschließung tendenziell sehnen, und Männer so gut es geht vor ihr flüchten.

Denn ursprünglich sollte die Frau mit diesem fadenscheinigen Konstrukt an das Heim, die Kinder und den Herd gebunden werden, und vor allem in finanzieller Abhängigkeit gehalten werden. Alle Macht dem Mann!, so hat es auch schon Napoleon in sein Gesetzblatt schreiben lassen. Zitat: „Ist doch der Manne zu sehen wie der Gärtner, dem selbstredend der Baum und auch dessen Früchte gehören. So gehören auch dem Mann die Frau (=Baum) und die durch sie geborenen Kinder (=Früchte).“

Die Geldmacht war bis in die späten 70er-Jahre durchwegs beim Mann belassen, und fertig ist der Bindungskuchen, der bei genauerer und ehrlicher Betrachtung nur für eine Geschlechter-Abteilung Vorteile brachte.

Frauen waren also unter finanzielle Abhängigkeit gestellt, durften nicht arbeiten gehen, und mussten dem Mann alles „häuslich Nichtige“ sowie die Kindererziehung vom Leib halten. Zudem galten sie unverheiratet, also ohne männlichen Schutz, als Freiwild. Denn um die männliche Solidarität und Macht zu sichern, pinkelt bekanntlich kaum ein Mann dem anderen ans Bein, wenn es um dessen „Besitz“ geht. (Wird unter den meisten als Ehren-Codex gesehen!)

Das würde nämlich die Herren der Schöpfung entzweien, und dem Weiblichen eventuell eine Chance auf Selbstbestimmung ermöglichen! Wenn man also als Frau unter solchen Bedingungen einigermaßen angenehm durchs Leben kommen wollte (ohne Vergewaltigung, ohne Verarmung und ohne gesellschaftliche Ächtung), dann blieb ihr nur, sich nach einem einigermaßen wohlhabenden, nicht gänzlich Primaten-haften, und zur Eheschließung bereitwilligen Mann umzusehen.

Daraus entstand das heutige männliche Gejammer, dass Frauen – die sich mittlerweile massenhaft scheiden lassen können, ohne dafür von der Gesellschaft angespuckt zu werden – die bösen abzockenden Weiber wären, die sowieso nur ganzen Tag daheim sitzen konnten, während er so schwer schuftend ihr die angeblichen Millionen zu Füßen gelegt hatte. Und dann wollen die gierigen Furien bei der Scheidung auch noch die Hälfte von dem von „ihm“ so hart erarbeiteten Kuchen…!

In Jean-Jacques Rousseau´s „Emilé oder über die Erziehung“, schreibt er wie folgt:

Deshalb soll sich die ganze Erziehung der Frauen um die Männer drehen. Ihnen Gefallen einzuflößen und zu nützen, sich bei ihnen beliebt zu machen und in Ehren zu stehen, sie in der Jugend zu erziehen, und wenn sie herangewachsen sind, für sie zu sorgen, ihnen mit Trost und Rat beizustehen, das Leben zu verschönern und zu versüßen: das sind die Pflichten der Frauen zu allen Zeiten, auf die man sie von Kindheit an aufmerksam machen soll.

Wenn man die Gefallsucht und Fleischbeschau vieler Frauen und Mädchen in den sozialen Medien so betrachtet, hat sich daran leider wenig geändert! Offenbar ist es immer noch nicht modern, auf würdevolle Weise Frau zu sein.

Während das Patriarchat (angeführt und umgesetzt durch Staat, Politik, Kirche, Sozialsysteme, Wirtschaft, Gesellschaft, Männer, etc) dafür sorgte, dass die Frau keine eigene Stimme hat, sie als eine Art Besitz zu sehen ist, und sie sowieso nicht in der Lage wäre mit Geld umzugehen (zumindest nicht vernünftig), und dieser Gewaltakt auch noch gesellschaftlich und politisch, religiös sowieso, voll mitgetragen und anerkannt wurde, blieb den Frauen nicht viel mehr, als sich anfangs unterzuordnen, still zu halten, und zu ertragen was kaum zu ertragen ist. Für Männer wurde geputzt, gewaschen, gekocht, die Kinderobsorge abgenommen, genäht, uvm.

Wenn ich da an einige meiner Paarberatungen denke, hat sich auch diesbezüglich nicht wirklich so viel geändert, wie wir gerne glauben wollen.

In weiterer Folge haben manche Frauen ihren Handlungsspielraum damit erweitert, dass sie Sex als Währung auch innerhalb der Ehe einzusetzen versuchten. Bis heute leider eine immer noch vorhandene Strategie in manchen Paarbeziehungen, die aber nicht so einäugig betrachtet werden darf, wie es meist der Fall ist. Ich will damit keineswegs eine Ausrede für würdelose Entscheidungen oder Handlungen der weiblichen Seite generieren, aber ein paar Fragen seien gestattet:

Was ist für eine Frau die lebenswerte Alternative in einem solchen von Männern geschaffenem System? – Denn das dieses System scheiße und vorsinnflutlich ist, steht hoffentlich außer Frage!

Wenn jede Frau auf der Welt die absolut gleichen Chancen für Karriere und Entlohnung sowie Bildung hätte, und in weiterer Folge auch die exakt gleiche Dimension an Wohlstands und Reichtums-Anhäufung gegeben wäre, und auch keinerlei Schutz vor Männern mehr nötig wäre, …wie viele Frauen würden sich dann noch der ehelichen Sexual-Vortäuschung zur Verfügung stellen, oder sich die Mühe der Manipulation von Männern machen? Und wie viele Frauen blieben dann noch verheiratet – oder hätten überhaupt einen Mann in ihrem Leben?

Damals: Der Mann sicherte sich mit Eheschließung Hausputz, Köchin, Haushälterin, Brutkasten-Funktion, Kinderbetreuung, Gartenpflege, Näherin, Wäscherin, und häuslichen Sex. Die Frau bekam dafür Schutz sofern die Gewalt nicht ohnehin häuslich stattfand, Obdach, manchmal gesellschaftliches Ansehen, einen Ernährer für ihre Kinder, und wenn sie Glück hatte und keinen Versager erwischte, auch materiellen Wohlstand. – Im günstigsten Fall wie gesagt!

Heute: Da Männer immer noch tendenziell mehr verdienen als Frauen, können sie sich mittlerweile alle diese Dienstleistungen kaufen. Essen, Putzfrau, Nanny für die Kids, Gärtner, Wäscherei, Bügeldienst, und last but not least Sex. (Damals noch anrüchig weil man noch so etwas wie Würde kannte, heute kein Ding mehr, weil wir gelernt haben auf unsere Würde zu pfeiffen, und der Sexualität die Seele zu nehmen, indem wir sie „konsumieren“). Und es sind vorwiegend Frauen die all diese Dienstleistungen nach wie vor erbringen und schlecht dafür bezahlt werden. Mann hat also inzwischen die ehelichen Dienstleistungen zu weiterhin schlechter Entlohnung und mangelnder Wertschätzung auslagern können, und damit die Ehe-Schließung aus männlicher Sicht vollkommen verüberflüssigt. Nur zum Kinderkriegen, sind Ehe-Frauen dann doch noch gelegentlich nützlich, aber so manche Promi-Männer haben uns sogar das vorgemacht: Mann nimmt sich eine Frau fürs gute Aussehen mit Figur, und eine andere macht ihm dann die Leihmutter für seine Kinder und trägt seinen Samen aus. – Denn schließlich soll sich ja die Herzeige-Frau nicht die Figur mit sowas banalem wie einer Schwangerschaft versauen! Wie attraktiv soll für Männer die Eheschließung da noch sein!?

Dem Gegenübergestellt die Frauen heute: Wir dürfen mittlerweile arbeiten gehen (ohne den Mann um Erlaubnis fragen zu müssen – vielen Dank!), auch unser eigenes Geld verdienen (wenn auch längst nicht angemessen entlohnt), machen wenn wir in Beziehung sind, egal ob unverheiratet oder in wilder Ehe, noch immer die Wäsche, das Putzen, den Haushalt, die Kinderbetreuung häufig immernoch großteils, und ich habe gehört, manche von uns kochen sogar noch selbst… während man uns ein schlechtes Gewissen dafür einredet, neben all dem, nicht 24 Stunden absolut hinreissend und Sex-hungrig daher zu stiefeln, möglichst in Größe 34 und immer hübsch und frisch gestylt.

Ach ja und vergessen wir nicht: Für Frauen hat sich noch einiges mehr nicht verändert. Nachts alleine als Frau auf der Straße zu gehen, ist immer noch keine wirklich sichere Sache. Vergewaltigungen gibts nach wie vor um den gesamten Globus herum. Das finanzielle Einkommen ist als Hausfrau sowieso und als Working-Mum oder Karriere-Frau nach wie vor schwer schief-lagig (wenn überhaupt gegeben!), und brauchst du als alleinstehende Frau einen Handwerker für sagen wir eine Heizungsreparatur, versuchen 2 von 3 Installationsfirmen dich über den Tisch zu ziehen, weil Du ja kein Mann bist, sondern  weil du eine Frau bist. Für Frauen macht die Eheschließung auf einer solchen traurigen Grundlage unserer Gesellschaft, leider immer noch ihren bitteren Sinn.

Hierzu ein Zitat von Cher: „Einen Mann zu haben ist keine Notwendigkeit, es ist ein Luxus – wie Nachtisch.“ – Nachsatz von Claudia: …“und beides kann einem die Figur versauen, wenn man nicht aufpasst!“ ☺

Einigen wir uns daher darauf, dass das Format „Ehe“ dringend überholungsbedürftig ist.

Dieses zutiefst anachronistische „bis dass der Tod uns scheidet“, kann einem schon ein bisschen Enge um die Brust zaubern, und es hat schon einen Hauch von Knast. Aber das betrifft ja eigentlich beide Seiten!

Dass dann gleich hintendran noch der Rattenschwanz mit der „lebenslangen Verantwortung“ füreinander und der „ewigen Verpflichtung“ immer diesen einen Menschen zu lieben – egal wie deppert sich der grade aufführt, und all so etwas auch noch schriftlich zu geben, macht die Sache auch nicht gerade luftiger oder überlebensfähiger. Freiwilligkeit des Herzens, ist in so einem Schwur gänzlich abgeschafft. Die Ehe als Konstrukt für wirtschaftliche Sicherheit und Beständigkeit, sorgt in weiterer Folge für Stillstand und Schockfrost auf Beziehungsebene, und das ist bekanntlich der vorprogrammierte Tod, wenn man weiß, dass Leben und erst recht die Liebe, dauernd auf Entwicklung ausgerichtet sind – und das auch und vor allem in Beziehungen!

Abgesehen davon: Die selbstauferlegte Überforderung zu Beginn einer Beziehung, womöglich noch in ganz jungen Jahren wo man selbst noch überhaupt nicht ausgereift ist, etwas für die Ewigkeit zu versprechen, was man selbst gar nicht garantieren kann, weil man so vieles davon gar nicht in der eigenen Hand/Macht hat, kann nur Scheitern nach sich ziehen. „Liebe ist wie ein Fluss, der nur im Bett der Freiwilligkeit ungehindert fließen kann!

Das alte Dilemma der Paarbeziehung:

Männer heiraten Frauen in der Hoffnung, dass sie sich nicht verändern – und sie ändern sich.

Frauen heiraten Männer in der Hoffnung, dass sie sich ändern – und sie ändern sich nicht.

Das rituelle Bindungszeremoniell nun aufgrund der grässlichen Vorgeschichte und der immer noch bestehenden Schieflage dahinter gänzlich zu verwerfen, ist irgendwie auch keine schöne Lösung. Gehen dabei doch auch so wertvolle Qualitäten mit flöten, wie beispielsweise Romantik, Bindungsfreude, Herzens-Pakte, Beziehungsstabilisierung, das Zueinander Bekennen vor Gott und der Welt, das offizielle Feiern der Liebe, und nicht zuletzt das Zeichen der tiefen Verbundenheit.

Was kann also im Hinblick auf ein neuartiges, revolutioniertes und vor allem wahrhaftig gleichberechtigtes und gleichwertiges Bindungsritual Sinn machen?

Wir brauchen ein völlig neues Eheversprechen, die Freiheit, dass sich jedes Paar das verspricht was es auch der Ansicht ist halten zu wollen, und die beiderseitige Bereitschaft, sich all den Dingen ehrlich zu stellen die sich im Laufe einer mitunter lebenslangen Verbindung ergeben können.

Außerdem eine komplette feministische Reformierung der großen patriarchalen Systeme wie etwa: Religionen, Politische Systeme wie Ehe-Recht, Arbeits-Recht, staatliche Kinderbetreuung, Entlohnungssysteme usw. Denn der Feminismus ist anders als von bösen Zungen behauptet, nicht daran interessiert neuerlich zu Unterdrücken, oder gar „zurück-zu-unterdrücken“, sondern daran, allen wahrheitsgemäß und real die gleichen Möglichkeiten ohne wie immer geartete Abwertungen oder Benachteiligung zu schenken.

Therapeutisch gesehen brauchen wir allerdings auch noch etwas absolut Essentielles: Nämlich in so weit erwachsene und vor allem eigenverantwortliche Menschen, als dass diese den jeweiligen Partner nicht wählen, weil dieser die ungestillten kindlichen Bedürfnisse nähren soll, und auch nicht weil diese Person einem all das vom Hals halten soll, was man selbst nicht machen möchte, und schon gar nicht weil man über den Partner seinen eigenen – in Wahrheit nicht vorhandenen – Selbstwert aufpolieren will, und die Komplexe die man mit sich herumträgt damit auszublenden versucht.

Willst Du eine tragfähige Partnerschaft, dann sorge dafür dass Du selbst tragfähig bist und dass Du auch ohne Partner ein erfülltes Leben selbständig auf die Reihe bekommst. Setzt voraus, dass Du gelernt hast, dich selbst anzunehmen, dich selbst zu lieben, dich selbst zu achten, für dich selbst einzutreten, und dich selbst durchs Leben zu bringen und Dich alleine zu finanzieren.

Denn Liebe und Ehe bedeuten nicht, dass der andere dich IMMER lieben muss, egal wie scheußlich du dich aufführst.

Liebe und Ehe bedeuten nicht, jetzt kann ich mich zurücklehnen, bin abgesichert, und muss nichts mehr für meinen Lebensunterhalt herstellen.

Liebe und Ehe bedeuten nicht, dass der andere mich immer begehren muss, egal wie fett ich geworden bin.

Liebe und Ehe bedeuten nicht: Ab jetzt brauch ich mich nicht mehr weiterentwickeln, und der andere hat so zu bleiben wie ich ihn haben will.

Liebe und Ehe bedeuten nicht, der andere ist mein Besitz, und ich bin ohne den anderen nichts.

Liebe und Ehe bedeuten nicht, sich vor den Herausforderungen des Lebens verstecken zu können.

Liebe und Ehe sind kein Garantieschein oder Schutz gegen die verhasste Einsamkeit oder das Allheilmittel gegen Fremdgehen und Betrogen-werden.

Liebe und Ehe, sind der Versuch mit Problemen fertigzuwerden, die man alleine nie gehabt hätte. – Die einem aber mit ihrer Bewältigung viel weiter bringen als Mensch, als wenn man sich im Single-Status versteckt.

Die Ehe ist keine Ab- oder Auslagerungsstätte für unliebsame Aufgaben oder Entwicklungsschritte. Sie ist vielmehr der Kessel in dem genau diese Herausforderungen so richtig hochkochen. – Und damit der beste Entwicklungsförderer.

Und weil wir Menschen keine Eremiten sind, sondern soziale Wesen die einander brauchen, werden wir uns auch in Zukunft mit dem „Projekt Ehe bzw. Liebesbeziehung“ herumschlagen.

Wer sich diesbezüglich gerade in einer Sackgasse befindet, oder aber anderweitig nützliche Hilfestellung brauchen kann um besser mit sich vorwärts zu kommen, der ist herzlich willkommen, und kann sich unter office@cla.wien gerne zu einem Life-Coaching-Termin oder einer systemischen Paarberatung melden.

Ein echter Garant für die Steigerung von Liebesfähigkeit und persönlicher Reifung ist unsere alljährliche Selbstliebe-Gruppe, sowie der systemische Lebens-Lehrgang den man alle zwei Jahre besuchen kann.

In diesem Sinne: Heiratet weiterhin, aber heiratet ausschließlich aus Liebe und keinem anderen Grund. Aber vor allem: Versprecht Euch nur was zu halten möglich, ehrlich gewollt und sinnvoll ist!

Herzlichst, Eure Claudia Lang