Liebe, Verantwortung

Die Ermordung der Sexualität

Wenn wir uns im kollektiven Sexualleben der Menschheit umsehen, dann entdecken wir von liebevoller Hingabe, Leidenschaft und Extase bis Vergewaltigung, Abartigkeiten und Perversion, alles. Das Leistungsprinzip und der Konsumationsgedanke hat auch hier längst Einzug gehalten, ebenso wie die Sex-Depression und die großteils nicht ganz freiwillige Total-Askese.

Wenn wir uns im kollektiven Sexualleben der Menschheit umsehen, dann entdecken wir von liebevoller Hingabe, Leidenschaft und Extase bis Vergewaltigung, Abartigkeiten und Perversion, alles. Das Leistungsprinzip und der Konsumationsgedanke hat auch hier längst Einzug gehalten, ebenso wie die Sex-Depression und die Großteils nicht ganz freiwillige Total-Askese.

Im Rahmen meiner Sexual- und Paar-Beratungen habe ich nahezu alles gehört was an Vorstellbarem und Verzichtbarem möglich ist. In meiner Eigenschaft als systemische Aufstellungsleiterin bin ich es gewohnt auch abstrakte Begrifflichkeiten bzw. Eigenschafteninnerhalb einer Aufstellung mit hinein zu nehmen. Wenn man also so Qualitäten wie Leben, Tod, Anmaßung, Demut usw. hinzustellen kann, und diese Stellvertreter-Positionen auch Stimme und Inhalt transportieren, drängte sich mir irgendwann die Frage auf: „Was wäre, wenn wir die Sexualität an sich zu Wort kommen lassen, und im System nachsehen, was die Sexualität höchst persönlich zu unserem Umgang mit ihr zu sagen hat!?“ Auch die wahre Natur der Sexualität hat mich in diesem Zusammenhang interessiert. Gedacht, getan. Die Ausbeute war reichlich, deutlich und äußerst berührend.

Aber bevor ich diesen Out-put im Rahmen unserer Newsletter-Artikel-Reihe zur Verfügung stelle und teile, noch ein kurzer Blick in die Schattenwelt des menschlichen Sexuallebens und das daraus entstehende Leid.

Da ist beispielsweise Anton, der seine Frau beim Sex gerne schlagen würde, weil er nur dann in Fahrt kommt. Sie findet das keineswegs erregend. Da ist Helga, die nur dann zum Orgasmus kommt, wenn sie ein großes lebendes Insekt auf ihrer Klitoris spazieren gehen lässt. Da ist Viktor, der gerne Strapse trägt, aber total hetero ist, und keine Frau findet, die das antörnt. Da ist Michaela, die sich zwar nach Zärtlichkeit und Liebe sehnt, beim Sex aber scheinbar auf Demütigungen und Sadismus steht. Und da ist Armin, der schon mal Frauen zum Sex nötigt, überredet, und der Meinung ist, dass sie es ohnehin irgendwie alle so wollen und brauchen. Während Sabrina noch nie einen Orgasmus hatte, sich aber durch sämtliche Betten vögelt, verkleidet sich Oskar gerne als Superheld um dann seine Partnerin im wahrsten Sinne des Wortes zu bespringen. Und vergessen wir nicht Ulla, die Sex für etwas zutiefst unhygienisches hält, oder Herbert, der seit Jahrzehnten nur noch mit Prostituierten fickt, weil er es so am einfachsten und unkompliziertesten findet. Marco will beim Vorspiel von seiner Frau gewickelt und wie ein Baby versorgt werden, und Katharina wurde schon zwei mal vergewaltigt, was ihren Kinderwunsch beinahe verunmöglicht hätte. Peter hat schon mal eine Ziege und ein Schaf gebumst, und Liliane ist mit 45 noch Jungfrau, aber nicht im Sternzeichen. Hans dagegen quält seine Partnerin mit Gruppen-Sex und Pornographie, und Wolfgang ist längst unfähig sexuell empathisch zu agieren, weil er seit Jahren Porno-süchtig ist, und nur noch auf würdelos kann. Gerhard schleppt seinen 18-jährigen Sohn zur Entjungferung ins Puff, und Susanne zeigt ihrer 10-jährigen Tochter an der Stripp-Stange wie sich Frauen für Männer exhibitionieren sollen. Peter onaniert „heimlich“ vor pornografischen Inhalten auf seinem PC, was es seiner Frau Anja mittlerweile unmöglich macht, ihn noch als Mann anstatt als kleinen Wichser zu sehen. Aber auch so weit verbreitete Unglücksfälle wie Denis, der sich sicher ist, dass seine Frau nur noch Pflicht-Sex mit ihm absolviert, oder Petra, die beim Sex dauernd Angst hat etwas falsch zu machen, und dann erst recht verkrampft daliegt, hübschen diese Aufzählung nicht wirklich auf.

Unabhängig davon, ob man das eine oder andere davon abstrakt, würdelos oder abartig einstufen möchte, an Skurrilität und Seelenlosigkeit mangelt es jedenfalls nicht. Glücklich ist keiner von ihnen, und ihr Sexualleben voll Scham, Schmerz und Schatten. Leidenschaft und Hingabe: Fehlanzeige!

Und genau das ist der Punkt. Wieso gehen wir Menschen mit unserer Sexualität sodermaßen fehl-orientiert und grausam um? Wo ist die Liebe und Intimität in unserem sexuellen Umgang? Wo die Würde und die Liebe darin? Von Erfüllung, Leidenschaft, Nähe und echter Begegnung kann dabei ohnehin keine Rede mehr sein, und von Treue und Intimität geschweige denn Exklusivität ganz offensichtlich auch nicht.

Dabei spielt ein pervertiertes Frauen-Bild eine ebenso vernichtende Rolle, wie ein würdeloses Männer-Bild. Solange jede nachwachsende Generation von Frauen der Meinung ist, dass sie möglichst vielen Männern auffallen und gefallen muss, um dann schließlich nicht mal mehr den einen vögeln zu wollen, aber Hauptsache wir sind einigermaßen versorgt und müssen nicht selbst für den eigenen Unterhalt aufkommen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn jeder dritte Mann eine Frau wie eine Nutte behandelt. Und solange jede neue Generation Mann, mehr auf Schwanz-Längenvergleich, Pornographie und Prostitution abfährt, als auf echte Intimität, Leidenschaft und weiblichen Grips, verdienen sie auch nichts besseres als Nutten-Fleisch und Wichs-Vorlagen.

Auf diese Weise bleibt es in den Betten kalt, still, frustriert und verlogen. Dabei wäre gerade die Sexualität ein Spender wahrer Erfüllung. Lust und Leidenschaft gepaart mit Liebe und echter Hingabe bringen eine Dimension von Genuss hervor, die die meisten von uns noch nicht mal kennen. Angst, Komplexe, Herzenskälte und Abwertungs-Dogmen sind die Killer einer warmen, heißen, würdevollen und erfüllenden Sexualität. Sex ohne echte Hingabe ist wie Dosenbier. Man kann es trinken, aber der metallische Nach-Geschmack setzt sich hinterher immer durch.

Deshalb lasse ich nun, wie eingangs versprochen, die Sexualität höchst persönlich zu Wort kommen:

Was die Sexualität uns noch sagen möchte… !
(ein Auszug aus dem Buch: „Liebe, Sex & Schuld!“ nachdem die Botschaften über eine systemische Aufstellung ermittelt wurden)

Ich gehöre Euch allen, aber nicht alle von Euch behandeln mich gut genug!
Ich bringe Euch Vergnügen, Lust und Leidenschaft, aber ihr macht etwas Würdeloses daraus.
Ich ermögliche eine Verbindung auf stofflicher Ebene, die Euch Euer „Getrennt sein“ für kurze Zeit wenigstens vergessen lässt. – Und ihr trennt mich von dem, was ihr braucht und am meisten ersehnt – nämlich der Liebe!
Ich kann Euch Extase zeigen, aber ihr konsumiert mich nur.
Ich mache Eure Körper zu einem Tempel von Genuss und Hingabe, doch ihr stumpft Euch mit Pornographie, Prostitution und anderem Müll ab.
Ich bringe Leben hervor, und ihr fürchtet Euch genau davor.
Ich gedeihe am besten unter dem Einfluss von Liebe und Intimität, aber ihr zerrt mich an die Öffentlichkeit, wann immer ihr Eurer Geltungssucht frönen wollt.
Ich bin die Entdeckung des Privilegs von Körperlichkeit, und ihr stopft Euch mit Plastik-Ersatzteilen voll. Ich drücke die Exklusivität der Paarbeziehung aus, und ihr macht eine Rudel-Veranstaltung oder ein beliebiges Produkt aus mir.
Ich bin von Göttern gemacht um für Götter zu sein, aber ihr stellt mich in die Ecke der Primitivität.
Ich bin ein Geschenk, und ihr macht mich zur käuflichen Ware.
Ich bin Zärtlichkeit und Kraft in einem, und ihr benutzt mich um zu dominieren, zu vergewaltigen und zu unterdrücken.
Ich bin reine Schönheit, und ihr macht mit Eurem würdelosem Verhalten etwas Schmutziges aus mir.
Ich verstärke auf körperlicher Ebene die Anziehung zwischen zwei Menschen, und ihr wollt die Nähe aus mir vertreiben.
Ich verkörpere Sinnlichkeit, und ihr macht etwas Vulgäres aus mir.
Ich gedeihe am schönsten unter freiwilliger Hingabe, und ihr verwendet mich um Frauen Gewalt anzutun.
Ich bin in Wahrheit Teil wahrhaftiger Spiritualität, aber ihr wertet mich durch Eure Religionen ab.
Ich möchte Euch nur Gutes bringen, und ihr benutzt mich um mit mir Geld zu machen oder Macht auszuüben.
Ich vertiefe mich, und werde umso intimer in Monogamie und Treue, und ihr missbraucht mich und Euresgleichen um Euer Ego zu bestätigen und anderen das Herz zu brechen.
Ich brauche Eure Hingabe, Eure Genussfähigkeit und Euer ganzes Einlassen auf mich, und ihr macht eine Leistung aus mir.
Ich vermag Euch die schönsten Zustände von Leichtigkeit und ersehnter Grenzauflösung zu zeigen, und ihr wollt mich dauernd kontrollieren.
Ich bin ein Ausdruck von Liebe, und ihr trennt mich ausgerechnet von ihr.
…WARUM TUT IHR MIR DAS AN?

Wie lautet Deine Antwort auf diese Frage?! Und wie ist es um Dein Liebes- und Sexualleben bestellt?

Herzlichst, Deine Claudia Lang