…solange sie nicht toxisch wird.
Eine Geschichte vom zu früh Aufgeben und vom zu lange Durchhalten…
Ein gutes Durchhaltevermögen zu haben, ist im Leben durchaus von Vorteil. In vielen Situationen und Bereichen macht sich ein solches Durchhaltevermögen durchaus bezahlt. Beispielsweise in der Wissenschaft gäbe es viele Erkenntnisse und Errungenschaften nicht, wenn nicht einer den längeren Atem gehabt hätte und doch noch diesen einen weiteren Versuch gemacht hätte. Oder so mancher Orgasmus wäre sich vielleicht nicht mehr ausgegangen, wenn die letzten 10 Sekunden gefehlt hätten. Aber auch so manches Bauwerk würde nicht stehen, wenn ein bestimmter Statiker nicht doch noch eine schlaflose Nacht mehr in Kauf genommen hätte für die gewagte Planung. Ja so manches Kind hätte nie das Licht der Welt erblickt, wenn man nicht doch noch dieses eine mal mehr Sex gehabt hätte. Vermutlich gäbe es gar keine Mädchen auf dieser Welt, wenn man bedenkt, dass die männlichen Spermien zwar schneller schwimmen, aber auch früher absterben, und die weiblichen Spermien zwar langsamer an ihr Ziel finden, dafür aber länger durchhalten. Kaum einen sportlichen Sieg oder Pokal gäbe es ohne den Biss des harten Trainings und der wiederkehrenden Teilnahme an Wettkämpfen. Unzählige Dinge und Lebensformen gäbe es nicht ohne Durchhaltevermögen. Und dieses Durchhaltevermögen kann ganz schön anstrengend sein. Soviel zur guten und gesunden Seite dieser Qualität.
Das Gegenüber des „chronischen Durchhaltens um jeden Preis“ ist das „zu frühe Aufgeben“. Schon kleine Kinder haben unterschiedliche Gebaren was das zu frühe Aufgeben oder das zu lange Durchhalten angeht.
In manchen von uns regiert nämlich ein Programm welches beispielsweise lauten könnte: „Wer aufgibt hat versagt!“ oder „Das muss doch gehen, ich muss mich nur noch mehr anstrengen!“ oder „Wenn ich ihn/sie verliere, dann bin ich auf ewig bzw. schon wieder allein!“ (also hält man in der Beziehung Dinge durch, die man mitunter gar nicht durchhalten sollte!, oder „Wenn ich das nicht hinbekomme bin ich der Loser in allen Augen“, usw.
Die einen werden groß und geprägt durch: „Du musst dich halt mehr anstrengen, dann geht das schon!“ und die anderen hören dauernd: „Mach das nicht, wenn du es nicht kannst!“ oder „Man macht grundsätzlich nur was man kann, das andere sollte man lieber lassen!“ oder „Lass das bevor Du Dir noch weh tust!“ oder „Lass das, das kannst du noch nicht!“ und ähnliches. Nur dass mit letzterem Credo gar nix zustande kommen kann was einer kann, weil der ja nie was lange genug ausprobieren darf, um es irgendwann einmal wirklich gut zu können. Jeder Meister ist noch immer Meister geworden, weil er wiederholt und wiederholt hat. Wer also Scheitern um jeden Preis bereits im Vorfeld und prophylaktisch vermeidet, der vermeidet auch das Lernen, Wachsen und vor allem das Siegen. Das sind dann die Erwachsenen die auf gut Deutsch zu nichts zu gebrauchen sind. Die nichts auf die Reihe kriegen. Die immer einen guten oder auch weniger guten Grund finden, warum sie sich keiner Anstrengung stellen können oder müssen. Die sich gerne von allem und jeden durchs Leben tragen lassen. Die man immer irgendwohin chauffieren muss, weil Autofahren ist ja viel zu gefährlich! Denen man immer bei allem alltäglichen Kram „helfen“ muss/soll, obwohl diese Menschen ebenso zwei gesunde Beine und Arme haben wie der Helfer selbst. Sie entziehen sich den einfachsten Aufgaben im Leben mit dem Vorwand: „Das kann ich nicht!“
Dann lerne es gefälligst.
Der von dem Du Dir dauernd zur Hand gehen lässt, hat´s auch irgendwann mal erlernen müssen. Wenn alle so drauf wären, dann könnte niemand auf der Welt etwas von Wert.
Ironischerweise finden sich äußerst häufig diese beiden Extreme auf Paar-Ebene zusammen. Da ist die Frau, die an ihren Mann alles Finanzielle delegiert, das Autofahren sowieso, die Verhandlungen in kaufmännischen Dingen, und natürlich muss er auch den berühmten Nagel in die Wand schlagen, weil das liegt ihr ja auch nicht. Immerhin bestünde ja das Risiko, dass der Nagel schief in die Wand geht – und was dann!? (Man bemerke den Hauch von Ironie darin) Steht dann irgendwann die Scheidung vor der Tür, ist die Gute nicht mal in der Lage eine simple Überweisung bei der Bank zu tätigen, weil …“das hat ja immer mein Mann gemacht. Mit so was kenn ich mich halt nicht aus!“ Appell an die verbliebene Umwelt: Wo ist der nächste Depp, der mir wieder alles aus der Hand nimmt und für mich richtet.
Und da ist der Mann, der sich scheinbar nicht mal ein belegtes Brot selber machen kann, auch den Staubsauger kann er nicht bedienen – warum weiß man nicht so genau, ist wohl einfach „Frauensache“ – und auch die Lebensmittel zu besorgen kann man ihm einfach nicht zumuten. Betten überziehen, Klo säubern – nie gemacht – daher Fehlanzeige. Lieber liegt „Mann“ in seinem eigenen Dreck bis sich einer oder eine erbarmt, und dem armen Mann die Laken wechselt. Auch die Waschmaschine ist ein seltsam anmutendes Ding steht plötzlich jener Mann davor, der seinen überbordenden Respekt vor Geschirrspüler und Co. kaum noch bändigen kann. Den puren Angstschweiß treibt ihm auch das Staubtuch so scheint´s auf seine Denker-Stirn. Und prompt findet sich ein rettendes Weib, welches sich beim Guten sogleich unentbehrlich macht, und zur Hilfe eilt. – Nur damit sie nicht Single bleiben muss.
Nicht falsch verstehen, ich bin sehr dafür, dass man in Paarbeziehungen wie auch sonst im Leben zusammenhilft, und Hilfsbereitschaft ist ein schöner und unverzichtbarer menschlicher Zug. Aber wenn man so gar kein Auge daran verschwendet, wer sich da von wem und warum „helfen“ lässt, dann hat das in Null Komma Nix eine drastische Schieflage was Eigenverantwortung, Selbständigkeit und Erwachsenwerden betrifft. Schamloses Ausnützen, Schmarotzen und pure Faulheit sowie Feigheit sind oft die wahren Hintergründe.
Im Gegenüber rackern sich die Getriebenen von „Das geht schon, das muss gehen…“ solange ab, bis sie ihrem ersten Burn-out Hallo sagen, oder der erste Herzinfarkt ans leiser Treten erinnern möchte.
Da ist die Frau, die ihre eigene Firma leitet, den Haushalt eines großen Einfamilienhauses nebst Garten schupft, ihrem Mann auch noch das Essen kocht, die Wäsche wäscht, und einige andere Annehmlichkeiten bereitet. Das ganze macht sie auch noch ohne ihr Äußeres zu vernachlässigen und selbstverständlich macht sie das alles ohne zu murren oder um großartige Hilfe zu bitten. Auch für ihre Freunde ist sie stets ein sicherer Anlaufhafen in Krisen und Not. Nur wenn sie mal zu ihrem Göttergatten sagt, ob er freundlicherweise das Auto in die Waschstraße fahren könnte, kriegt sie eine patzige Antwort, mit dem Ergebnis, dass sie auch das noch selber macht. Denn eine langwierige und kräfteraubende Auseinandersetzung deswegen, würde ihr viel zuviel Zeit und Kraft rauben.
Oder der ewig gutmütige, alles befürsorgende Ehemann, der weder seiner verzogenen Tochter, noch seiner verwöhnten Ziege von Frau etwas abschlagen kann: Als leitender Angestellter und Überstunden-König, gehetzt von einem Termin zum nächsten, lässt er sich von Frau und Tochter regelmäßig zum Einkaufen schicken, während die beiden Damen ihren anstrengenden Tag vom Nichts-Tun im Spa ausklingen lassen. Selbstredend geht er des Nachts auch noch mit dem Hund, und das 25-jährige Töchterlein wird auch zu jeder Stunde von jeder Diskothek abgeholt, weil Taxifahren ode Führerschein selber machen für das Prinzesschen nicht in Frage kommt. Ihm käme nie die Idee, dass er Frau und Tochter mal arbeiten schicken könnte, oder den Geldhahn zudrehen könnte. Definiert er sich doch als der Held und Retter jeder Maid in Not. Denn so hat er das auch schon für seine Mutter gemacht, weil der Papa kein Held war.
Es geht also um die jeweils gesunden Pole dieser entarteten Eigenschaften, und eben jene entstehen wenn wir uns auf Angemessenheit und Selbstliebe besinnen und familiäre Verstrickungen lösen. Zum Beispiel mit einer Familienaufstellung.
Sich für etwas anzustrengen und durchzuhalten ist grundsätzlich gut und wichtig. Daraus einen Dauerbrenner werden zu lassen, kommt eher eine Kamikaze-ähnlichen Selbstvernichtung gleich, mündet aber jedenfalls in einer völlig wertlosen Selbstüberforderung. Alte Dogmen unserer Vorfahren mögen einst ihren Grundstein dafür gelegt haben, aber das bedeutet nicht, dass wir auf ewig in diesem Trampelpfad weiterlaufen müssen.
Glühst Du für etwas, dann häng Dich ordentlich rein und leg Dich nach Kräften dafür ins Zeug. Manchmal hast Du damit Erfolg, manchmal nicht. – Egal. Begeistere Dich auch für weniger hochstehende Aufgaben, und Du wirst ein erfülltes Leben haben. Delegiere nicht, was Du ebenso gut selbst kannst, oder einfach erlernen kannst.
Bitte um Hilfe, wenn es Deine Kräfte tatsächlich überfordert, aber nicht, wenn Du einfach zu bequem oder zu faul bist, etwas selbst zu erlernen oder durchzuführen. Verbeiße Dich nicht in Aufgaben mit so starren Überzeugungen wie: „Was ich anfange, das mache ich auch fertig!“ Wenn ein Studium nicht zu Dir passt und Du draufkommst, dass Du das nicht machen möchtest, dann mach was anderes oder wechsle. Aber mach das Wechseln und Abbrechen nicht zu einem Serien-Reflex auf alles was mal unangenehm daher kommt, oder einfach auch mal ein paar Beschwerlichkeiten mit im Gepäck hat.
Der Student, der sich quält und alles jahrelang bis zur bitteren Neige durchpaukt, hat zwar am Ende ein fertiges Studium, aber immer noch keinen Beruf der ihn erfüllt und wertvolle Jahre mit etwas verbracht was er gar nicht mag.
Die Arbeitssuchende die einen Job nach dem anderen abbricht und hinschmeißt, weil sie überall eine Tätigkeit findet, auf die sie „keinen Bock hat“, hat sich zwar noch keinen Nagel abgebrochen, aber sie hat auch rein gar nichts worauf sie stolz sein kann, meist ein lausiges Einkommen, und taugt maximal zur hauptberuflichen Sozialschmarotzerin.
Hinter all dem ist ein System, ein Muster zu erkennen. Es sind Glaubenssätze und erlernte Verhaltensmuster die uns auf die eine oder andere würdelose und selbstschädigende Weise durchs Leben laufen lassen.
Strenge ich mich für etwas an, und habe ich dann damit Erfolg, kann ich diesen auf meinem eigenen Selbstwertkonto direkt verbuchen und wachse an den Herausforderungen. Ich baue damit meine Fähigkeiten aus und kann mich an ihnen erfreuen. Anstrengendes Bluffen und das Vorspielen von künstlicher oder nicht-vorhandener Lebensleistung entfällt. Minderer Selbstwert und Versagensgefühle haben keinen Raum.
Sich für etwas aufreiben und kaputt machen, ist kein Zeichen von Intelligenz oder Fleiß, sondern eher ein Hinweis darauf, dass man sich aus dogmatischen Verstrickungen noch nicht gelöst hat, und das lebensfeindliche Prinzip „Liebe über Leistung“ alles vernichtet was das Leben schön macht. Es ist völlig in Ordnung und sogar eine wichtige Kompetenz, sich auch mal etwas abbrechen zu lassen, wenn man merkt dass einem das nicht gut tut. Damit ist aber nicht gleich der geringste Anflug von Anstrengung gemeint, sondern chronische Destruktivität. Eine Sache aufzugeben oder einfach gar nicht erst anzufangen, macht Platz für eine andere, die mehr oder besser dazu geeignet ist, sich zu verwirklichen.
Wenn Du Dich gegen etwas entscheidest oder etwas abbrichst, nur weil Du eine Herausforderung scheust, dann schwänzt Du die Lebensschule und belastest auf die eine oder andere Weise Menschen, die das nicht verdient haben. Damit wächst Dein unterbewusstes Schuldgefühl, weil Du einen künstlichen Opferstatus zur Unterstützung Deiner Bequemlichkeit erschaffst.
Wenn Du Dich gegen etwas entscheidest oder etwas abbrichst, weil Du merkst wie Dir überhaupt keine nutzbringende Gabe daraus erwächst, und Du dadurch auch keinen anderen Menschen in eine Mehrbelastung bringst, dann ändere was geändert werden muss, um Dir etwas stimmigeres zu ermöglichen.
Und an alle Helfer da draußen: Danke dass es Euch gibt! Aber geht auch in Eure Selbstverantwortung und schaut lieber zweimal hin, wem ihr da helft und ob nicht Hilfe zur Selbsthilfe angebrachter wäre.
Zu Tode geholfen ist auch gestorben. Jede unangemessene Hilfe macht sich gleichzeitig schuldig an der Selbstschwächung und der Entwicklungsverweigerung desjenigen, der sich in seiner Bequemlichkeit suhlt. Und das hilft weder der Welt, noch dem Helfer oder dem scheinbar Bedürftigen. Auch das Bedürfnis zu helfen darf genauer unter die Lupe genommen werden. Vielleicht ist ja nicht immer nur die pure Edelmütigkeit und Hilfsbereitschaft der Motor dahinter, sondern auch eine Portion Eigennutz um sich mächtig, unentbehrlich oder gebraucht zu fühlen. Und das wären keine guten Gründe um einem Faulsack Unterstützung zu gewähren.
Wie oft haben mir Eltern erzählt, dass ihr 35-jähriger Sohn noch keinen Tag gearbeitet hat, Wohnung, Essen und Auto von Mama oder Papa bezahlt bekommen, und selbstverständlich auch noch Taschengeld bekommen. Diese Eltern waren über die Lebensleistung ihrer Sprösslinge keineswegs glücklich, aber losgelassen haben sie das fette Kücken auch nicht. Erst als sie durch ihre Reflexionsarbeit und ein paar Aufstellungen in die aktive Handlung von Unterlassung jeglichen Supports gefunden haben, staunten sie nicht schlecht, dass nach anfänglicher Motzerei und Protestbekundung, das gute Kind auf wundersame Weise den Arsch hoch gekriegt hat, und durchaus alleine und sogar sehr gut lebensfähig war.
Wie oft klagten mir frisch geschiedene Frauen ihr Leid, dass sie sich Sorgen machten, dass ihr Kind beim Vaterbesuch im Dreck versinken könnte, weil der Ex-Mann ja innerhalb der Ehe keinen Handstreif im Haushalt gemacht hat. Und Überraschung! – kaum geschieden, hat der Gute seine neue eigene Wohnung blitze blank und sauber gehalten – ganz alleine und ohne „Muttis“ Hilfe.
Und wie oft hörte ich von dem schlechten Gewissen mancher Ex-Männer, dass sie sich Sorgen machten, ob ihre Ex-Frau das mit dem Haus und Garten alleine hinbekämen. Oh Wunder, die Dame konnte plötzlich Rasenmähen und auch das Auto alleine zum Service bringen.
Manchmal sollte man sich lieber Sorgen um das eigene Helfersyndrom machen, oder noch besser: lieber Nudeln, als Sorgen machen.
In diesem Sinne: Pack DEIN Leben nach Kräften an, und mach´s Dir zwischendurch immer wiedermal auch leicht, …und manchmal wenn man sich genug angestrengt hat, kommen wunderbare Seifenblasen dabei raus…